Nachruf auf Anita Tschirwitz
von Johanna Bonengel

Eine Grenzüberschreiterin in der Kunst

Die Künstlerin Anita Tschirwitz ist gestorben.

Unterfranken hat eine außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit verloren, ein Multitalent mit großer Experimentierlust. Sie war eine exzellente, examinierte Sängerin und Pianistin, Malerin, Zeichnerin, Fotografin, Objektkünstlerin und eine Sprachpoetin. Sie gab der Kunst eine kraftvolle, lebendige Stimme. Sie starb am 18. September nach einer Krankheit, die ihr die Kraft raubte.

Die geborene Würzburgerin fand in Mainfranken ihren Lebensraum, mit dem sie sich stark identifizierte. Sie wohnte in Schwanfeld, arbeitete als Lehrkraft in den Fächern Klavier und Gesang an der Musikschule Schweinfurt. Die Kunst entstand in ihrem Atelier in Wipfeld, und die Strahlkraft ihrer Kunst ging mit Gruppen- und Einzelausstellungen über Unterfranken hinaus von Nürnberg bis Berlin.

Anita Tschirwitz studierte Gesang an den Hochschulen für Musik in Würzburg und Wien. Nach dem Konzertexamen widmete sie sich neben dem Musikunterricht der künstlerischen Ausbildung, nahm Zeichenunterricht bei Sybille Schlageter in Würzburg, konzentrierte sich auf die experimentelle Symbiose von Form, Farbe und Sprache und entwickelte sich zu einer überzeugenden Grenzüberschreiterin. Sie schuf höchst ästhetische Fotografien, zeichnete witzige One-Line-Drawings in der Tradition von Picasso und Klee, sie malte mit Acryl, sie machte kleine Kunstwerke aus mit Tusche bemalten Steinen, aus Korken und Draht schuf sie Minitiaturskulpturen und Objets trouvés. Ein ungewöhnlicher Blick auf Bekanntes, Unauffälliges, Alltägliches machen den ästhetischen Reiz ihrer Kunst aus und geben allen ihren Werken poetische Kraft. Jürgen Hochmuth, ein Künstlerkollege, fasst die Bedeutung der Künstlerin Anita Tschirwitz präzis zusammen: „Für sie ist das Experiment die Grundlage für eine Vielzahl schöpferischer Ereignisse und das Spiel mit der Wahrnehmung eine Grundvoraussetzung für ihre Bildfindung.“

So bleibt sie allen, die Anita Tschirwitz kannten, in Erinnerung: Die Lebenszugewandte, die Bewegte, die Erfindungsreiche, die Zuversichtliche, die Kämpferische und die Empfindsame. Sie sagte, was sie zu sagen drängte, aber immer rücksichtsvoll und voller Empathie. Mit ihr zusammenzuarbeiten war eine Freude.

Deshalb war Anita Tschirwitz eine gefragte, konstruktiv und phantasievoll Schaffende im BBK Unterfranken (Berufsverband Bildender Künstler), in der GEDOK Franken (Gemeinschaften deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen), der VKU (Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens), der Künstlergruppe „ArtBeeze“ und in der Schweinfurter Autorengruppe SAG. Als Co-Editorin der multilingualen Literaturzeitschrift „Ariel“ eroberte sich Anita Tschirwitz ein weiteres Arbeitsfeld. Sie wurde mit vielen Preisen geehrt, zum Beispiel mit dem PEMA-Kunstpreis in der Sparte Fotografie, verliehen vom Kunstverein Bayreuth.

Im literarischen Schreiben konzentrierte sich die Künstlerin auf das Gedicht. Sie stellte in ihrer Lyrik das klassische Gedicht auf den Kopf, spielte mit Worten, Sätzen, Klängen und ließ die Leserin, den Leser verblüfft zurück. Sie liebte das Komische, das Phantastische, die Verfremdung, die „Gedankengranulate“. Humor und Poesie gehen Hand in Hand. Viele ihrer Werke „lassen heiteres zurück“.

Ein sehr schönes Beispiel:

vernissage

v e r sammelt im zirkel der

meist gleichen besucher

locker bis dicht gedrängt

n i s che für kulturwallfahrer

plattform für eitelkeiten

laufsteg der egos

s a ndelholz und moschus

dominieren den duft

des käsegebäcks

g e legentliche blicke

streifen bild und künstler

sozialhygiene durch kunst

Martina Müller-WagnerNachruf auf Martina Müller-Wagner
von Johanna Bonengel

Die Liebe zur Literatur

Die Schriftstellerin Martina Müller-Wagner ist am 28. Juli 2020  gestorben.

Schweinfurt hat eine Künstlerpersönlichkeit verloren, die mit ihrem Schreiben und ihrer Liebe zur Literatur das Kulturleben reich gemacht hat. Zusammen mit der Schweinfurter Autorengruppe SAG gelang es Martina Müller-Wagner, der Literatur in Schweinfurt eine starke, lebendige Stimme zu geben. Sie starb am 28. Juli, bis zum Schluss trotz ihrer Krankheiten immer optimistisch und voller Humor.

Die geborene Würzburgerin fand in Schweinfurt ihren Lebensraum, mit dem sie sich stark identifizierte. Hier lebte sie mit ihrem Ehemann und ihren vier Kindern. Die lebenserfahrene Frau suchte und fand einen Bereich, in dem sie sich entfalten konnte: das literarische Schreiben. Dies war ihr Weg, sich mit Gesellschaft und Umwelt auseinanderzusetzen. Ihr Schreiben umkreiste den Menschen, der verletzbar und selbst verletzend ist. Die Zerbrechlichkeit spiegelt sich in leiser Poesie wider. Ihr Credo: Man muss nicht laut sein, um gehört zu werden. Lyrik und Kurzprosa waren ihre Schwerpunkte. In vielen Veröffentlichungen wird dies deutlich: „Nach außen geranienrot“, „Ein krankes Wort“, „Flüchtige Wahrnehmung“ oder „Ballade an Jonas“. In der Welt der Literaturfreunde eroberte sich Martina Müller-Wagner einen festen Platz. Davon zeugen etliche Literaturpreise.

Ihr Schreiben hatte eine Basis im eigenen Erinnerungs- und Echoraum. Deshalb verarbeitete sie auch ihre Kriegserinnerungen, um zu zeigen, was Menschen alles aushalten müssen und aushalten können. Es war Martina Müller-Wagner sehr wichtig, jungen Menschen die Augen zu öffnen. In Schulen las sie aus ihren literarisch bearbeiteten Kindheitserinnerungen „Die Festung oder Kopf und Kragen“ und fand die passende Sprache, um bei den Schülern verstanden zu werden.

Schreiben war ihr Lebenselement, an dem sie auch andere teilnehmen ließ. Sie wollte ihre Liebe zur Literatur weitertragen. Vor 25 Jahren war sie Mitbegründerin der Schweinfurter Autorengruppe SAG und bis zu ihrem Tod die Sprecherin dieser Gruppe. Sie war das Herzstück, der Motor, sie, die Frau mit Haltung und ausgleichender Kraft. Mit der Autorengruppe rief sie die Offene Lesebühne ins Leben, um auch anderen Mut zu machen zu schreiben. Ihr Stuhl in der Kleinen Kaffeerösterei, in der die Lesebühne ihre Heimat gefunden hat, muss nun leer bleiben.

Johanna Bonengel, im August 2020

Traueranzeige Martina Müller-Wagner

Die Mitglieder der SAG im Jahre 2021

Die Mitglieder der im Jahr 1995 gegründeten SAG haben sich eine Satzung gegeben, ohne den Status eines eingetragenen Vereins anzustreben.

Zu Sprechern der SAG wurden Johanna Bonengel und Hanns-Peter Zwissler gewählt.

Ziel der SAG ist es, den Dialog zwischen den Autorinnen und Autoren der Region Schweinfurt zu fördern. In Anerkennung unterschiedlicher literarischer Ausprägungen soll ein von literarischer Qualität getragenes Gruppenprofil bestehen. Die SAG soll ein literarischer Ansprechpartner in der Region sein und deren Literaturszene mitgestalten. Dem dienen die gemeinsamen Auftritte wie z. B. in der Kulturwerksatt Disharmonie und im Literaturhaus in Wipfeld.

Mit der offenen Lesebühne in der Kaffeerösterei sollen auch Nichtmitglieder, insbesondere junge Autorinnen und Autoren angesprochen und ermuntert werden, mit ihren Texten vor die Öffentlichkeit zu treten.

Die SAG sucht den Kontakt zu anderen kulturellen Initiativen und steht mit ihren Mitgliedern in vielfältigem überregionalen Bezug über deren Verlage, errungene Literaturpreise und Mitgliedschaften in überörtlichen literarischen Gruppierungen und Verbänden.

Beim Stöbern in unserer Homepage kann man hierin einige Entdeckungen machen.